ABGABE EINER FREIWILLIGKEITSERKLÄRUNG SOZIALRECHTLICH NICHT ERZWINGBAR

Weil ein abgelehnter iranischer Staatsangehöriger bei der Passbeschaffung nicht mitwirkte, kürzte das Sozialamt seine Leistungen nach dem AsylbLG. Zu Unrecht, wie das Sozialgericht in einem von uns erwirkten Beschluss im Wege der einstweiligen Anordnung festgestellt hat:

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Nach diesen Grundsätzen hat der Antragsteller sowohl das Bestehen des geltend gemachten Anordnungsanspruchs als auch die Eilbedürftigkeit seines Begehrens, den Anordnungsgrund, glaubhaft gemacht. Denn insoweit die Antragsgegnerin die Kürzung des Barbetrages des Antragstellers um 100 v.H. auf § 1a Nrn. 2 und 3 AsylbLG stützt, indem sie dem Antragsteller im Sinne der Nr. 2 der genannten Vorschrift vorwirft, er habe bei der Beschaffung eines Passes bzw. des zur Einreise in sein Heimatland notwendigen Ausweisdokumentes nicht mitgewirkt, so dass in seinem Falle aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt.

Die Vorschrift setzt nämlich voraus, dass der Leistungsberechtigte die Gründe, derentwegen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, zu vertreten hat. Dieser Vorwurf ist einem Leistungsberechtigten jedoch dann nicht zu machen, wenn ihm eine Handlung, Unterlassung oder Mitwirkung nicht vorgeworfen werden darf, weil sie nicht zumutbar ist. Denn die gesetzliche Mitwirkungspflicht steht unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass das von dem Betroffenen erwartete Verhalten mit dem deutschen Recht in Einklang steht. Hierzu hat das BSG durch Urteil vom 30. Oktober 2013 (Az. B 7 AY 7/12 R) entschieden, dass eine Beschränkung der Leistungen nach dem AsylbLG auf das im Einzelfall unabweisbar Gebotene nicht darauf gestützt werden kann, dass sich ein Leistungsberechtigter, der die Bundesrepublik Deutschland nicht verlassen will, weigert, bei der für ihn zuständigen Botschaft eine Erklärung zu unterschreiben, er wolle freiwillig in sein Heimatland zurückkehren. Nach dieser Rechtsprechung hat der Leistungsberechtigte weder durch seine Weigerung zur Abgabe einer solchen Erklärung die Aufenthaltsdauer im Sinne des § 2 Abs. 1 letzter Halbsatz AsylbLG rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst noch hat er dadurch nach § 1a AsylbLG aus von ihm zu vertretenden Gründen den Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen verhindert. Denn ihm darf die Erklärung, freiwillig in sein Heimatland zurückkehren zu wollen, schon aus verfassungsrechtlichen Gründen im Hinblick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht abverlangt werden, sofern dies seinem tatsächlichen nicht entspricht. Hiervon ist aber im Falle des Antragstellers auszugehen. Insbesondere ist glaubhaft, dass auch die Islamische Republik Iran in solchen Fällen von ihren Staatsangehörigen bereits mit dem Antragsformular auf Ausstellung von Passersatzpapieren die Abgabe einer Erklärung verlangt, „dass ich freiwillig in die islamische Republik Iran zurückkehren möchte“ (vgl. BVerwG Urteil vom 10. November 2009, Az.: 1 C 19.08 zu [16]).

Die vom Antragsteller verlangte Mitwirkungshandlung ist ihm aber auch insoweit nicht zumutbar als die Antragsgegnerin mit ihrem Vortrag in dem vorliegenden Anordnungsverfahren darauf abstellt, sie habe eine solche Freiwilligkeitserklärung vom Antragsteller nicht verlangt, sondern lediglich, „dass er sich um die Ausstellung seines Nationalpasses bemüht“.

Denn hängt die Ausstellung des erforderlichen Ausweispapieres letztlich von der Abgabe der genannten Erklärung ab, so stellt sich jegliches vorbereitenden Bemühen als sinnentleert dar und bedarf zur Überzeugung des Gerichts erst recht nicht zur Rechtfertigung von Leistungskürzungen herangezogen werden.

Sozialgericht Frankfurt, Az: S 30 AY 3/19 ER, Beschluss v 10.05.2019, rechtskräftig

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